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 Donnerstag, den 09. Oktober 2014 um 00:34 Uhr
+++ DER WICHTIGE JOB DES VEREINSLINIENRICHTERS +++
Alltag auf deutschen Amateurplätzen: Einer an jeder Linie assistiert dem Schiedsrichter - zur Not auch mit Regenschirm. [Foto: Imago]
 MAGAZIN  | 08.10.2014 | 16:12 

"Kommt Leute, einer muss jetzt!": Wenn in den unteren Spielklassen keine Schiri-Assistenten angesetzt werden, helfen an der Linie halt zwei Leute aus und greifen freiwillig zur Fahne. Dabei zeigt sich: Es gibt verschiedene Herangehensweisen, den Job als Vereinslinienrichter auszuüben...

 DER WICHTIGE JOB DES VEREINSLINIENRICHTERS 

Noch Sekunden bis zum Anpfiff. Die Fahne kommt bedrohlich näher. Der Trainer fuchtelt wild damit rum, ruft „Kommt Leute, einer muss jetzt!“. Die Ersatzspieler überprüfen urplötzlich noch einmal ganz genau, ob der linke Schnürsenkel richtig gebunden ist. Die beiden verletzten Spieler an der Bande rücken unauffällig ein paar Meter weiter nach links. Und Ernst, die treue Seele des Vereins – ja, wo ist eigentlich Ernst hin? Eben war er doch noch da. Der Trainer resigniert, behält die Fahne – die auch mal ein abgewetztes Stück Stoff an einem abgesägten Besenstiel sein kann – in der Hand und stellt sich an die Seitenlinie. Dann macht er es halt selbst. Wie immer.

So oder ähnlich läuft es in Deutschlands unteren Spielklassen Woche für Woche, wenn händeringend ein Linienrichter gesucht wird. Offiziell vom Verband angesetzte gibt es nur in den oberen Amateurklassen, im Männerbereich meist ab Landesliga aufwärts. Weiter unten wird aus Personalgründen oft nur ein Schiedsrichter geschickt. Die beiden Vereine haben dann jeweils jemanden an der Linie zu postieren. Genannt Vereinslinienrichter, oder offizieller und sperriger „Vereinsschiedsrichterassistent“.

"Kommt Leute, einer muss jetzt!"

Zehntausende von ihnen sind jedes Wochenende bei den rund 80.000 Spielen im Land im Einsatz. Es ist ein wichtiger, aber nicht unbedingt beliebter Job. Der Vereinslinienrichter soll dem Schiedsrichter helfen, vor allem Aus anzeigen. Mancher Schiri lässt ihn darüber hinaus signalisieren, welches Team einwirft. Schon nach wenigen Minuten weiß er, ob das eine kluge Entscheidung war. Dies ist nicht der Fall, wenn der Fahnen-Verantwortliche nach einem Befreiungsschlag des Abwehrchefs in die angrenzende Laubenkolonie Einwurf für die eigene Mannschaft anzeigt.

Vorbildlich: Auf der Höhe des Geschehens. [Foto: Imago] Im Einsatz als Vereinslinienrichter. [Foto: Imago]
Im Einsatz als Vereinslinienrichter. [Foto: Imago] Im Einsatz als Vereinslinienrichter. [Foto: Imago]

Der Typus Vereinslinienrichter ist vielschichtig. Es gibt den Trainer, der entweder keinen für die Fahne gefunden hat oder es ohnehin lieber selbst und meist gut macht. Dann gibt es beispielsweise denjenigen, der seit 1973 im Einsatz ist und dabei so neutral und gewissenhaft agiert als würde er das hauptberuflich machen. Und dann wären da noch der sichtlich lustlose Co-Trainer – gelegentlich mit Zigarette, selten mit Bierflasche – oder Ersatzspieler, die sich 90 Minuten mit den Zuschauern unterhalten, aber kein einziges Mal die Fahne benutzen. Oder dies mit verschränkten Armen so diskret tun, dass selbst erfahrene Mikado-Spieler keine Bewegung erkennen würden.

„Vereinslinienrichter können eine große Hilfe sein, ab und zu aber auch ein echtes Hindernis“, sagt ein Schiedsrichter, der in Berlins Kreisligen pfeift. Letzteres tritt unter anderem ein, wenn der Mann an der Seite (Frauen übernehmen die Rolle eher selten) übermotiviert ist. Er sprintet unablässig die Linie entlang als wäre er auf der Jagd nach der Ehrenurkunde bei den Bundesjugendspielen und zeigt ständig Foul oder Abseits an. „Das ist schwieriger als wenn jemand draußen gar nichts macht. Es bringt viel Unruhe rein“, sagt der Berliner Schiedsrichter. In solchen Fällen folgt die Bitte, sich wie vorgesehen auf das Anzeigen von Einwürfen zu beschränken. „Sonst sieht man ziemlich blöd aus, wenn man auf Tor entscheidet und draußen jemand ungebeten mit der Fahne wedelt“, sagt ein anderer Unparteiischer, der in der Berliner Landesliga mit Gespann pfeift, aber früher ebenfalls jahrelang allein auf dem Platz stand.

HELMUT IST IMMER FAIR

Im Normalfall findet sich jemand, der dem Schiedsrichter mehr oder weniger motiviert zur Seite steht. Aber es gibt auch sehr kuriose Ausnahmen. In der vergangenen Saison war bei einem Nachholspiel unter der Woche in der Berliner Kreisliga B weder ein Zuschauer noch ein Ersatzspieler anwesend. Ein Trainer übernahm eine Fahne, sein Kollege vom anderen Team konnte jedoch wegen eines Beinbruchs kaum laufen. Also bekam der leicht verdutzte Berichterstatter der Fachzeitschrift „Fußball-Woche“ die zweite Fahne in die Hand gedrückt. Wie zu hören war, gab es keine Klagen über den Aushilfs-Winker.

Nicht einverstanden mit dem Vereins-Assistenten war dagegen jüngst eine Gastmannschaft in Hessens Kreisoberliga Hanau . Dieser hatte zwei Mal recht schnell die Fahne geschwenkt und Einwurf für sein Team angezeigt. Was die Gäste nicht wussten: Helmut ist seit Jahrzehnten dabei und immer fair. Noch nie hatte sich jemand beschwert. Diesmal schon. Der Schiedsrichter entband den untröstlichen Helmut daraufhin seiner Aufgabe und schickte ihn hinter die Barriere. Beim nächsten Spiel feierte er sein Comeback. Alle waren zufrieden mit ihm.
Quelle: www.fussball.de - Autor: Sebastian Schlichting